Der Kettensprenger - Das November Velo

 

Zwei Räder für die Freiheit

Isaiah Berlin ist einer der bedeutendsten wissenschaftlichen Vertreter des Liberalismus. Sein Essay „Zwei Freiheitsbegriffe“ gilt als politikwissenschaftlicher Klassiker des 20. Jahrhunderts. Damit machte er auf höchst originelle Weise auf Widersprüche in unserem alltäglichen Freiheitsbegriff aufmerksam. Berlin unterschied zwischen einer positiven und negativen Freiheit. Positive Freiheit ist, wenn wir unser Schicksal selbst in die Hand nehmen können. Negative Freiheit ist, wenn wir frei sind von äusseren Hemmnissen, von Herrschaft und Ketten. Doch beide Begriffe stehen oft im Widerspruch. Wer kraft seiner positiven Freiheit für andere Ketten definiert, beginnt mit Unterdrückung. Freiheit, so Berlin, bedeute vor allem anderen die Freiheit von Ketten.

Die Konstrukteure vom Stromer haben Berlin beim Wort genommen. Abgesehen vom Strombedarf hat sich der Stromer erstmals in seiner Geschichte von zahlreichen Hemmnissen befreit. Der schmierige Kettenantrieb wurde durch einen leisen und langlebigen Riemenantrieb von Gates ersetzt. Radikal neu gedacht wurde auch die Schaltung. Ein nahezu wartungsfreies und geschütztes 12-Gang-Getriebe von Pinion ersetzt die Kettenschaltung. Geschaltet wird elektronisch. Damit wartet der ST7 mit einer Weltneuheit auf, die, so versprechen die Schweizer, automobile Fahrdynamik ins E-Bike bringe. Das sorgt für beste Unterhaltung an einem traumhaft schönen Sonntagnachmittag.

Ich beginne mit positiver Freiheit und wähle meine Route. Der ST7 führt einen gewaltigen Akku (1440 Wattstunden) mit sich. Das reicht für bis 260 Kilometer Reichweite. Fährt man nur im Sport-Modus, liegen bei guten Bedingungen rund 100 Kilometer drin. Deshalb jette ich heute durchs grosse Moos, umkreise den Murtensee und fliege via Schiffenensee und Möslipass wieder zurück nach Aarberg. So viel zur Absicht.

Jetzt wecke ich den E-Motor. Auf dem Oberrohr erwacht ein übersichtliches Display. Es informiert mich über den Akkustand, den gewählten Unterstützungsmodus (3 plus Sportmodus) und den gewählten Gang. Der Stromer lässt sich kinderleicht bedienen: rechterhand die elektronische Schaltung, über die man auf Knopfdruck in Sekundenbruchteilen (0.2 Sekunden!) hoch- und runterschaltet, linkerhand die Moduswahl, über die man mit einer „+“- und „-„-Taste die passende Motorunterstützung und damit auch das Tempo wählt. Im Modus 1 erreicht man mit etwas Muskelkraft rund 30km/h und steigert im Sportmodus auf süchtigmachende 45km/h.

Meine Ausfahrt vergeht wie im Fluge. Beim Ampelstart schiesst man jetartig weg und lässt andere motorisierte Verkehrsteilnehmer mit einem Wimpernschlag weit hinter sich. Herausfordernd ist die Pistenwahl. Weil auf herkömmlichen Velowegen eine Überholspur fehlt, verlagere ich meine Route zunehmend auf Haupt- und Nebenstrassen. Hier düse ich hindernisfrei und mit Riemenantrieb geräuschlos über den Asphalt, was horizonterweiternd ist. Die elektronische Schaltung hält, was sie verspricht: sie funktioniert schnell und intuitiv wie in einem Sportwagen, was mich zum Fazit führt. Mit diesem blitzschnellen Kettensprenger substituiert man das Auto. Und wird flüsterleise frei.

 

E-Bike Stromer ST7
Rahmen Aluminium
Gewicht 37 kg
Reifen Pirelli Angel ST Sport, 57-584
Schaltung Pinion C1.12 Smart.Shift
Bremsen Stromer HD944 by TRP, mit integriertem ABS
Motor Syno Sport II, Nabenantrieb, 940 Watt, 52Nm Output, Akkureichweite bis 260km
Preis CHF 13‘142.—
   

Biketester: Lorenz Schmid ist Partner bei in flagranti communication und fährt leidenschaftlich gerne Velos

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