Der Jubilar – Oktober 2019

 

Über dem Mako schwebt ein schönes Stück Weisheit.

Dieses Velo hat viel zu erzählen. Befasst man sich mit seiner Geschichte, kommt man zum Schluss, dass es bis heute rund sechzig Lenze gezählt haben muss. Soviel wie das jubilierende Aarberger Radsportgeschäft Thomet. Es stattet mich immer wieder mit Velos aus, mit denen man nicht einfach fährt, sondern gerne rockt und rollt. Aufgrund seines Gewichts müsste man das Mako zum «Heavy Metal» zählen. Sein robustes Stahlwerk überfordert moderne Velowaagen. Doch sein cleveres Machwerk lässt das Herz alter Kenner höherschlagen.

Gebaut wurde das Mako grob geschätzt in den Fünfzigerjahren in St. Gallen unter der Leitung von Max Komenda (Mako). Seine Velos waren so gut, dass sich 1942 sogar die Schweizer Armee rund tausend Stück unter den Nagel gerissen hat. Die Marke «Mako» ist heute unter dem Namen «Cresta» bekannt und noch immer in Familienbesitz. Das alte Mako brilliert in vielerlei Hinsicht. Der gemuffte und sorgsam gelötete Rahmen rebelliert mit einem tigerähnlichen, revolutionären Flammendesign, an dem auch Fidel Castro seine helle Freude gehabt hätte. Ebenso revolutionär war die progressive Dreigangschaltung, dank der man mächtig in Fahrt kam. Zwei wartungsarme Trommelbremsen sind bis heute Garant dafür, dass man kräftig wieder stillsteht. Die Tretlager lassen jedes moderne Velo leichenblass aussehen: tippt man ein Pedal an, dreht es ohne Ende. Und der alte Sattel hat das Zeug, im Handumdrehen einen Chesterfield Sessel zu substituieren.

Viel ernüchternder ist das Fahrverhalten. Bis dieser Oldtimer in Schwung kommt, braucht es Muskelkraft. Rollt er einmal, kann man das Fahrgefühl als «herrschaftliches Gleiten» bezeichnen. Der nach hintengeschwungene Lenker trägt viel dazu bei. Wegen ihm schraubt man in ganz aufrechter Sitzposition zwar den cw-Wert nach oben, bewahrt dafür aber einen magistralen Blick fürs Grosse und Ganze. Man beginnt über die sechzig Jahre nachzudenken, die die Gegenwart von der Geburt dieses Velos trennen und wird gewahr, dass dazwischen Welten liegen. Seit damals bewegt man Velos nicht nur viel leichter und schneller, seit damals ist auch die Weltbevölkerung hurtig von drei auf rund sieben Komma sieben Milliarden angestiegen. Seit damals hat sich das Internet schlagartig zu einem der grössten Energiefresser entwickelt und seit damals ist der Anteil der globalen Stadtbevölkerung von bescheidenen zwei auf stolze fünfundfünfzig Prozent angewachsen. Seit damals sind die Eismassen des westantarktischen Eisschildes instabil geworden und ihr Abschmelzen für die nächsten Jahrhunderte unumkehrbar geworden. Und seit damals zeigt ein Veloladen in Aarberg, dass man nicht nur schmerzhaft schmelzen, sondern auch lustvoll wachsen kann.

Seit damals hält uns vieles in Atem. Dinge wie dieses Velo regen zum Denken an. Deshalb lebe hoch, wer jubiliert. Jubilare habe die Kraft, einem den Spiegel vorzuhalten. Nimmt man das Spiegelbild zum Anlass, über sein Einst und Heute nachzudenken, wird man mit etwas Einsicht auch ein schönes Stück weiser. Denn Weisheit ist nicht nur ein prächtiger Schluss, sondern immer auch ein vielversprechender Anfang. «Happy Birthday!» Thomet Radsport!
 

Mako
Rahmen Schwerer Stahl
Gewicht Darüber hüllen wir den Mantel des Schweigens
Reifen Ganz alter Gummi
Schaltung 3-Gang-Schaltung
Bremsen Trommelbremsen
Preis Unverkäuflich
   

Biketester: Lorenz Schmid, Partner bei in flagranti communication und leidenschaftlicher Velofahrer

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